(Gem)einsam? Bildungsstrategien zur Einsamkeits- und Extremismusprävention im Sozialraum und im Netz
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Noch immer wird Einsamkeit hauptsächlich als individuelles Problem verstanden. Allerdings wies bereits Hannah Arendt auf den Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Einsamkeit und politischem Extremismus hin. Aktuelle Studien (Neu/Küpper/Luhmann 2023: "Extrem einsam?") stützen diese Diagnose. Während die Gründe für Einsamkeit vielfältig sind, ist klar, dass Gefühle von Hilf- und Machtlosigkeit sich durch multiple Krisen verstärkt haben (Corona, Krieg, Klima, Energie). Gefahren für die Demokratie wachsen, wenn einsame Menschen extremistische Tendenzen ausbilden. Auswege werden häufig im Internet gesucht, während dort weitestgehend unregulierte und unmoderierte soziale Netzwerke zu Rekrutierungsarenen extremistischer Akteure werden. Zugleich ist Vorsicht geboten: Nur ein kleiner Teil einsamer Menschen tendiert zum Extremismus und eine doppelte Stigmatisierung muss vermieden werden.
Projektziel
Ziel des Projektes ist, Einsamkeit als gesellschaftliches und politisches Problem sichtbarer zu machen und Konzepte für Bildungs- und Begegnungsangebote zu erarbeiten, die Einsamkeit entgegenwirken und hierdurch präventiv gegen Extremismustendenzen wirken.
Volkshochschulen sind seit jeher Orte der Begegnung und der Gemeinschaft. Das Projekt beabsichtigt, diese Stärke systematisch zur Eindämmung von Einsamkeit und Extremismus zu nutzen. Es werden Bildungskonzepte erarbeitet, die bei der Bekämpfung von spezifischen Gründen für Einsamkeit und Extremismus helfen können. Durch das Ausloten von Möglichkeiten zur Einsamkeitsbekämpfung, durch Aufmerksamkeit für das Thema und eine Pilotierung von Angeboten zur Stärkung der Teilhabe an der Gesellschaft sowie Aufzeigen von Perspektiven und Gemeinschaftserlebnisse für einsame Menschen, sollen Beiträge zum Erhalt und der Stärkung der Demokratie geleistet werden. Sozialräume stehen besonders aufgrund ihrer Sozialstruktur im Fokus, die von einem überdurchschnittlichen Anteil von Menschen mit Armuts- und Migrationsgeschichte und hoher Fluktuation der Bewohner*innen geprägt ist. Dort wird eine besondere Einsamkeitsgefährdung vermutet.
Zielgruppen
Zielgruppe des Projektes sind Menschen mit
Einsamkeitserfahrungen. Besonders im Fokus stehen zum einen Jugendliche, da
Studien belegen, dass Einsamkeit unter Jugendlichen weit verbreitet ist,
insbesondere in Kombination mit Armuts- und/oder Migrationsgeschichten (z.T.
mit Traumata oder Gefühlen von Ausgrenzung aufgrund von kulturellen Anpassungsschwierigkeiten).
Zudem liegt eine besondere Aufmerksamkeit auf Jugendlichen mit
Stigmatisierungserfahrungen (z.B. queere Jugendliche) oder stark von der
Corona-Pandemie betroffene. Sie haben eine höhere Anfälligkeit, politischem
Extremismus zuzuneigen. Zum anderen geht es um Menschen mit
Einsamkeitserfahrungen aufgrund spezieller Lebenssituationen wie z.B. ältere
Menschen, alleinerziehende Menschen, alleinlebende nach Trennung oder Menschen
mit Armuts- oder Krankheitsgeschichte. Besonders in der Pandemie hat sich
gezeigt, dass ihre (Angst vor) Einsamkeit sie in die Arme extremistischer
Bewegungen treibt (z.B. Rechtsextremismus und "Querdenker").
Projektzeitraum
Projektpartner
- Landesverband der Volkshochschulen NRW
- Amt für Integration und Vielfalt der Stadt Köln
- Lernende Region Netzwerk Köln e.V.
- VHS Viersen
- VHS Krefeld
Arbeitspakete
1. Es wurde eine
Bedarfsanalyse durchgeführt, die feststellt, welche Angebotsbedarfe mit dem Ziel der Teilhabe, der Stärkung von Selbstwertgefühl und dem Erleben von Gemeinschaft es bei den unterschiedlichen Zielgruppen gibt und wie diese bestenfalls an bestehende Angebote der Volkshochschule anknüpfen können. Die Bedarfsanalyse fand in Form von Befragungen der Zielgruppen statt, die sowohl über Multiplikator*innen als auch unter den eigenen Teilnehmenden der VHS erreicht wurden. Bedeutsam war bei der Bedarfsanalyse, dass sie keine Vorurteile reproduzieren sollte, sondern einen lernenden Ansatz verfolgte in Bezug darauf, wer die Zielgruppen sind, welche Form von Einsamkeit sie erleben und welche Angebote für sie hilfreich wären.
2. Es wurde eine Fachtagung durchgeführt, die sich an Bildungsakteur*innen aus Köln und NRW richtete, insbesondere Volkshochschulen. Auf der Tagung wurden Aufklärung und Hilfestellung für einsame Menschen konzeptionell zusammengeführt und Möglichkeiten der Extremismusprävention diskutiert. Mit Hilfe wissenschaftlichen Inputs wurde unter den Bildungsträgern diskutiert, wie eine gemeinsamer Ansatz gegen Einsamkeit aussehen kann und welchen Beitrag insbesondere Volkshochschulen zur Bekämpfung von Einsamkeit und Extremismus leisten können.
3. Es wurden Pilotprojekte in Form von neuen oder veränderten Bildungs- und Begegnungsangeboten durchgeführt. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Bedarfsanalyse und der Fachtagung wurden in Kooperation mit zahlreichen Netzwerkpartnern Lösungen entwickelt, die gesellschaftliche Teilhabe und Gemeinschaftserlebnis durch Bildungsangebote der VHS fördern. Hier spielte der spezifische Fokus auf Extremismusprävention über Angebote der politischen Bildung eine große Rolle, die zugleich das Gemeinschaftsgefühl über das gemeinsame Erleben der Bildungsveranstaltung selbst fördern sollen. Auch das Thema "Flucht ins Internet" spielte hier eine zentrale Rolle. Pilotprojekte loteten in erster Linie aus, welche Möglichkeiten eines sinnvollen Beitrags zur Eindämmung von Einsamkeit Volkshochschulen haben und welche Konzepte auf unterschiedliche Orte und Kontexte übertragbar wären.
Konkret fanden Workshops in einfacher Sprache zum Thema
Extremismus im Internet in Kooperation mit dem PIKSL Labor Köln statt. Außerdem
wurden Workshops mit mehr als 100 Schüler*innen in Köln-Mülheim unter der
Leitung des Autors, Sozialwissenschaftlers und Sozialpsychologen Musa Deli
durchgeführt, die den Lebensalltag junger Menschen und ihre Begegnungen mit
unserer Demokratie zum Thema machten.
Material
Projektverantwortliche / Kontakt
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Doris Dieckmann |
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Dr. Dennis Michels |
Gefördert durch: