Seit über 30 Jahren: Der VHS-Biogarten am Thurner Hof

Grüne Insel Thurner Hof

Einst belächelt, heute Vorbild: 

Im Osten von Köln, im Stadtteil Dellbrück, da wo die Großstadt schon ein Weilchen ihren Schrecken verloren hat, liegt auf einem 7.000 m² großen Grundstück der Thurner Hof. 
Der im 12. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnte Hof war als Wehranlage konzipiert, eine richtige kleine Burg mit Wehrturm und Burg-graben, direkt am Mauspfad gelegen, einer uralten Handelsstraße, an der sich prima Zölle einnehmen ließen. Der für damalige Verhältnisse mächtige Wehrturm besteht noch heute, ebenso das markant spitzgiebelige Herrenhaus im Fachwerkstil des 16. Jahrhunderts. 

Während die Stallungen und die angrenzenden weitläufigen Weideflächen von Freunden des Reitsports genutzt werden, konnte die VHS Köln seit 1973 das Herrenhaus als Nebenstelle führen. Mit großer Akzeptanz im Stadtteil konnte sich hier schnell ein vielseitiges dezentrales Kursangebot der Bereiche Sprachen, Künstlerisches Gestalten und Entspannung etablieren, sogar Wochenendangebote mit Übernachtungs- und Verpflegungsmöglichkeit waren im Angebot. An eine Nutzung des Grundstücks als Biogarten dachte damals niemand, wahrscheinlich gab es den Begriff noch nicht einmal im Duden.
Belächelt statt ernstgenommen:

Während Gemeinschaftsgärten heute in vielen Großstädten einen regelrechten Boom erleben, war das gemeinsame Bestellen eines Gartens in den 1980er Jahren noch ungewöhnlich, Biologisches Gärtnern wurde allerorten eher belächelt statt ernst genommen. Klaus Paier († 2009), damals Fachbereichsleiter der Kölner VHS, hatte 1987 die Idee, das brachliegende und größtenteils als Parkplatz genutzte Areal rund um den Thurner Hof in einen ökologischen Lernort mit Biogarten zu verwandeln. Die Umsetzung seiner Vision begann – für Kölner Verhältnisse ungewöhnlich schnell – bereits 1988. 

Klaus Paier hatte die Zeichen der Zeit richtig gedeutet und dank seines unermüdlichen Engagements entstand in kurzer Zeit ein höchst ungewöhnlicher Lernort in einer höchst idyllischen Lage am Rande einer Millionenstadt. Seit damals gestalten hier VHS-Teilnehmende eine ökologische Nische, eine Unternehmung, die bereits zwei Mal mit dem Umweltpreis der Stadt Köln ausgezeichnet wurde. Herzstück ist der 400m² große Bauerngarten mit anschließender Kompostanlage und einem Anzuchtbereich. Nach mittelalterlichem Vorbild gestaltet, wachsen Küchenschelle und Guter Heinrich einträchtig nebeneinander, Gemüse umgeben von duftenden Kräutern und farbenprächtigen Stauden. 
Gleich nebenan nimmt die Streuobstwiese die größte Fläche in Anspruch, auf der alte Apfelsorten, Quitten, Pflaumen und verschiedene Beeren-arten gedeihen. Diese grüne Insel Thurner Hof ist ein Plätzchen, das viel zu schade ist zum arbeiten. Und trotzdem knien sich die Teilnehmenden rein, bis die Socken qualmen. Als Modell betreiben sie einen Bauerngarten, in dem sich Nutz- und Zierpflanzen ergänzen. Da wird gemulcht, kompostiert, gejätet und gepflanzt. Was heute jedes Grundschulkind weiß, musste damals staunenden Biogartentouristen glaubhaft gemacht werden. Zum Beispiel die Tatsache, dass die gemeine Möhrenfliege durch die Anwesenheit von Zwiebeln so nachhaltig irritiert wird, dass sie ihre geliebten Möhren nicht mehr finden und schädigen kann. Da es umgekehrt der Zwiebelfliege mit den Möhren ebenso geht, werden eben Zwiebeln neben Möhren angebaut. Da bleibt die Gartenspritze arbeitslos. Schließlich bedeutet Biologisches Gärtnern Umweltbelastungen jeder Art zu vermeiden.
Ohne Bienen keine Ernte. Schon bald kam ein weiterer Arbeits-kreis mit dem Thema Imkerei dazu. War ja logisch: wo viel blüht und wo geerntet werden will, darf es an Bienen nicht fehlen. Schon im ersten Jahr konnten die VHS-Imker 70 kg Honigernte einfahren. Neben Bauerngarten und Imkerei wurden verschiedene Biotop-Projekte umgesetzt, die noch heute nach 30 Jahren die ganze Vielfalt bereichern. So wurde zum Beispiel der trockengefallene Wehrgraben über ein Wehr vom vorbei fließenden Strunder Bach wiederbewässert. Der so entstandene Teich und seine Ufer mit der naturnah gestalteten Trockenmauer bieten ein umfangreiches Spektrum an Pflanzen, die am oder im Wasser gedeihen. Highlights im zeitigen Frühjahr sind die Sumpfdotterblumen, im Sommer die Seerosen und die Teichmummeln und im Hoch- und Spätsommer Blutweiderich und Mädesüß. Darüber hinaus haben hier wasserliebende Vögel und Insekten sowie Amphibien einen speziellen Lebensraum gefunden. Es wurden auch eine Reihe einheimischer Fischarten eingesetzt, z. B. Rotfedern und Moderlieschen. Auf ungeklärte Weise haben sich aber auch Karpfen eingefunden. Am Thurner Hof ist jeder willkommen. Und der Eisvogel kommt auch!
Jede*r kommt ans arbeiten: 

Funktionieren kann dieses beschauliche Projekt vor allem deshalb, weil nicht nur einfach Kurse zu ökologischen Themen im Thurner Hof durchgeführt werden, sondern weil die Mitglieder der Arbeitskreise sich bei ihren wöchentlichen Treffen um alle anfallenden Aufgaben kümmern. Alle bestellen den Garten, alle pflegen den Garten und alle ernten die Früchte des Gartens. Es wird gemeinsam Marmelade gekocht und es gibt nach dem ersten Frost ein gemeinsames Grünkohlessen. 
Selbst wer einen Kurs am Thurner Hof belegt, kommt ans arbeiten: Wer Kompostieren lernen will, muss auch Kompost in der Schubkarre fahren und wer im Herbst Obstgehölzschnitt lernen will, der steigt auch in den Baum und schneidet. Der Biogarten am Thurner Hof, eine Erfolgsgeschichte aus ökologischem Anbau, der man noch viele gute Ernten wünschen möchte.
Klaus Paier: Physiker, Künstler und ökologischer Pionier

Die Geschichte des Biogartens der VHS Köln am Thurner Hof ist untrennbar verbunden mit Klaus Paier. 1987 entwickelte er die Idee zum Biogarten Thurner Hof und schon 1988 begann die Umsetzung gemeinsam mit ökologisch interessierten Menschen aus Köln-Dellbrück. Er war seiner Zeit weit voraus und gehörte zu den Pionieren der Gemeinschaftsgärten und des Urban Gardening. Er war ein politischer, kreativer und zutiefst sozialer Mensch, beseelt von der Idee, sich einzumischen, aufzuklären und andere mitzunehmen. Dies ist vielleicht auch das Erfolgsgeheimnis des VHS-Biogar-tens, der bereits zwei Mal mit dem Umweltpreis ausgezeichnet worden ist. 
Klaus Paier war eine außergewöhnliche Persönlichkeit: Künstler, Praktiker, Menschenfreund und Visionär. Sein Geburtsort Essen und die ersten Nachkriegsjahre in der zerstörten Stadt haben ihn sehr geprägt. Aufgrund seiner eigenen Geschichte als Schlosserlehrling bei ThyssenKrupp und dem späteren Physikstudium in Aachen waren ihm sowohl die Welt der Werktätigen als auch die akademische Welt vertraut. So konnte er Brücken bauen zwischen unterschiedlichen Gruppen, Menschen und Akteuren. In seiner Zeit in Aachen bemalte er gemeinsam mit seinem Freund Josef Stör Häuser in der Aachener Innenstadt und auf dem Gelände der RWTH. Die meisten seiner Bilder sind nicht mehr vorhanden, einige wenige stehen unter Denkmalschutz. In Aachen sind dies die Bilder „Das Liebespaar“ und „Zwischen den Tagen“. Als ihm 1989 vom Neuen Aachener Kunstverein der Neue Preis verliehen wurde, lebte er bereits in Köln. Hier sorgte er für Aufsehen mit den Bildern “Südafrika brennt“ und dem Wandbild auf dem Hochbunker in der Elsaßstraße. Als gelernter Physiker kam er 1986 zur Volkshochschule Köln mit dem Auftrag, die Bereiche Naturwissenschaften und Umwelt weiterzuentwickeln. Dazu schrieb er: „Nun sind ja leider die Naturwissenschaften nicht gerade das geliebte Kind der Volksbildung und so habe ich mich immer sehr schwer getan, diese im Sinne von „Öffnung von Wissenschaft“ zu etablieren. 
Anders der Umweltbereich, hier war insbesondere das projektorientierte Lernen auf dem Thurner Hof ein großer Erfolg!“ Nach 20 Jahren voller Engagement und Leidenschaft verabschiedete er sich 2007 in den Ruhestand. Leider blieb ihm nicht viel Zeit, seinen Ruhestand zu genießen. Im Juli 2009 verstarb er nach schwerer Erkrankung in Köln.
Was bleibt, sind seine Bilder, seine Kunst und der VHS-Biogarten am Thurner Hof.

Vereinsleben und Arbeitskreise am Thurner Hof

Jeder, der schon mal da war, kennt den zauberhaften Charme des Thurner Hofes, einer Oase mitten in der Stadt. In mehr als 30 Jahren hat sich in Dellbrück diese „selbstverwaltete Idylle“ herausgebildet. Sie blüht und gedeiht vor allem durch die engagierte Arbeit zweier Gruppen: dem Arbeitskreis und dem Förderverein. Der Arbeitskreis funktioniert wie eine interne Steuerungsgruppe – dabei geht es um die inhaltliche Planung der gärtnerischen, baulichen und Imkerei-Aktivitäten. 

Der „Verein der Freunde und Förderer des VHS-Biogartens e.V.“, kurz Förderverein oder VFF, hingegen unterstützt den Arbeitskreis als gemeinnütziger Verein materiell und ideell. Er wurde 2002 gegründet, um über Mitgliedsbeiträge und Spendengelder einen finanziellen Spielraum für die Aktivitäten im Biogarten zu schaffen. So wurde beispielsweise eine Saftpresse für das Apfelfest in Auftrag gegeben sowie ein Balkenmäher für die Wildblumenwiese. Die wichtigste Errungenschaft ist jedoch die Aufenthaltshütte, welche in der kühlen Jahreszeit zum geselligen Beisammensein genutzt wird. Aktuell hat der Förderverein 63 Mitglieder. Der Arbeitskreis, der die inhaltlichen Belange des Biogartens regelt, hat im Laufe der Jahre viele neue Gesichter gesehen. Somit hat sich die Zusammenarbeit mit der Zeit verändert und ist auch weiterhin im Fluss. Zeitweise war eine Dachgruppe das ganze Jahr über aktiv und ein jährliches Plenum mit allen Mitgliedern genügte, um die großen Projekte abzustimmen. Aktuell gibt es monatliche Plenumstreffen, wobei sich der Arbeitskreis immer weiter ausdifferenziert: Es gibt die Mittwochs-Imker, die Samstags-Imker und den Biogarten-Arbeitskreis, der ebenfalls am Samstag zusammenkommt. 

Diese Angebote werden durch die VHS koordiniert und betreut. Kleinere Teams verantworten einzelne Projekte, zum Beispiel den Lehmofen oder die Wildblumenwiese. Daneben bieten besonders versierte Gärtnerinnen und Gärtner Einzelworkshops zu ihren Spezialfeldern an: Obstbaumschnitt, Buchsbaum-Zünsler, Pflanzenjauchen – alles unter ökologischen Gesichtspunkten. Interessante Workshops am Thurner Hof sind selbstvertändlich über die VHS buchbar.

 
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